Schönfärberei beim Wolfsbestand gefährdet Artenschutz

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Die jüngst vom Bundesumweltministerium vorgenommene Neubewertung des Erhaltungszustands des Wolfs sorgt beim NABU Niedersachsen für massive Kritik. Erstmals wurde der Zustand für die kontinentale biog…

Neue Einstufung ignoriert regionale Defizite

15. Oktober 2025 – Der NABU Niedersachsen sieht darin eine politische Einflussnahme auf eine fachlich-wissenschaftliche Einstufung und warnt vor schwerwiegenden Folgen für den Artenschutz.

„Die Datenlage lässt eine solche Einstufung schlicht nicht zu. In Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Hessen leben nur sehr wenige Wölfe – in manchen Regionen sind die Bestände zuletzt sogar wieder zurückgegangen“, erklärt Lamin Neffati, Pressesprecher des NABU Niedersachsen. „Diese Entscheidung ignoriert nicht nur die tatsächliche Verbreitung, sondern auch die rechtlichen Vorgaben der EU.“

Der Europäische Gerichtshof hat bereits in einem Urteil für Österreich deutlich gemacht, dass bei der Bewertung des Erhaltungszustands nicht allein die bundesweite Population ausschlaggebend ist. Entscheidend ist auch die Situation in den einzelnen Regionen. Eine Einstufung als „günstig“ darf nur dann erfolgen, wenn die Art in ihrem gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet in einem stabilen Zustand ist – was für den Wolf in Deutschland derzeit nicht zutrifft.

Der NABU Niedersachsen schließt sich der Forderung des NABU Bundesverbands an und verlangt vom Umweltministerium vollständige Transparenz über die Bewertungsgrundlagen der Entscheidung. Nur eine fachlich nachvollziehbare und belastbare Einstufung gewährleistet die rechtskonforme Umsetzung der europäischen Naturschutzrichtlinien.

Zugleich warnt der NABU Niedersachsen vor falschen Interpretationen: Eine als „günstig“ eingestufte Population bedeutet keineswegs, dass damit Tür und Tor für eine allgemeine Jagd auf den Wolf geöffnet wären. „Diese Bewertung markiert lediglich das Minimum dessen, was nötig ist, um die Art zu sichern“, so Neffati weiter. „Der Schutz von Weidetieren wird durch Herdenschutzmaßnahmen erreicht – nicht durch pauschale Abschüsse.“

Der NABU Niedersachsen fordert, wissenschaftliche Kriterien über politische Interessen zu stellen. Der Schutz streng geschützter Arten wie dem Wolf darf nicht zum Spielball kurzfristiger Stimmungen werden.


Erhaltungszustand Wolf: Politik muss sich an Fakten halten!

Auch ohne Bejagung sinken Wolfsrisse 2024 deutlich

Die Wolfspopulation in Deutschland befindet sich noch nicht in einem günstigen Erhaltungszustand. - Foto: NABU/Michael Hamann

11. Juli 2025- Ende Juli muss Deutschland seinen Bericht zum Zustand der laut FFH-Richtlinie geschützten Arten an Brüssel melden. Die Einhaltung des Termins könnte knapp werden, da sich Bund und Länder nicht auf die Bewertung des Erhaltungszustands des Wolfs einigen können. Diese Uneinigkeit ist erstaunlich, denn eine von der Umweltministerkonferenz eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat – im Auftrag und unter Mitarbeit der Länder – bereits 2023 eine fundierte Methode für die Bestimmung des Erhaltungszustandes des Wolfs entwickelt. Laut den Ergebnissen der Arbeitsgruppe ist der Wolfsbestand noch nicht als „günstig“ einzustufen.

„In Niedersachsen wird das Ergebnis des FFH-Reports von verschiedenen politischen Akteuren und Interessengruppen als nicht zufriedenstellend bewertet“, kommentiert Lamin Neffati, Pressesprecher des NABU Niedersachsen. „Der Inhalt des Berichts muss jedoch auf den wissenschaftlich fundierten Daten des aktuellen Monitorings beruhen, nicht auf politischem Kalkül. Die gesetzliche Pflicht zum Schutz von Arten wird anscheinend nicht überall mit der gebotenen Ernsthaftigkeit verfolgt. Forderungen nach einer Bejagung, sobald der günstige Erhaltungszustand erreicht sei, sind abwegig: Denn der günstige Erhaltungszustand muss laut FFH-Richtlinie nicht nur erreicht, sondern auch dauerhaft gesichert werden.“

Aktuell werden Forderungen nach großflächigen Wolfsabschüssen laut, angeblich aus Gründen des Herdenschutzes. Dabei ist es ein Trugschluss, dass Wölfe durch Bejagung mehr Abstand zu Weidetieren halten. „Abschüsse bringen den Herdenschutz nicht weiter. Fakt ist: Dort, wo es Wölfe gibt, egal wie viele, müssen Herden geschützt werden. Die über 25 Jahre Erfahrung im Herdenschutz, die vor allem Weidetierhaltende aufbauen konnten, haben gezeigt, dass dieser Schutz gut funktioniert“, betont Neffati.

Der Scheinlösung der Bejagung steht das erfreuliche Ergebnis der kürzlich veröffentlichten Schadensstatistik entgegen: 2024 sank die Zahl der durch Wölfe geschädigten Weidetiere in Deutschland um 25 Prozent – obwohl es mehr Wölfe gab. „Das ist ein Verdienst der Weidetierhaltenden und zeigt: Nicht die Zahl der Wölfe entscheidet über das Rissgeschehen, sondern die konsequente Anwendung von Herdenschutz”, so der Pressesprecher. „Der NABU Niedersachsen fordert daher Bund und Länder auf, die Weidetierhaltung auch zukünftig im Herdenschutz zu unterstützen und die Förderung weiter auszubauen.“

Niedersachsen geht hier mit gutem Beispiel voran, da die finanzielle Unterstützung zuletzt ausgeweitet und langfristig zugesichert wurde. Dennoch sieht der NABU Niedersachsen weiterhin Potenzial, die Förderung gezielt zu verstärken, um den Schutz von Weidetieren flächendeckend zu verbessern.


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Hintergrund:

Alle sechs Jahre sind die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, einen Bericht über den Zustand der geschützten Arten zu übermitteln. Hierbei geht es nicht allein um die reine Anzahl an Individuen, sondern auch um das Vorhandensein geeigneter Lebensräume sowie um aktuelle Gefährdungen und Zukunftsaussichten. Der günstige Erhaltungszustand ist ein Mindeststandard, der gewahrt werden muss, um die langfristige Überlebensfähigkeit einer Art zu sichern. Er ist nicht zu verwechseln mit der Roten Liste, welche das akute Aussterberisiko bewertet. Eine Art kann also als noch nicht „günstig“ bewertet werden, auch wenn sie nicht vom Aussterben bedroht ist.

➨ Weiterlesen im NABU-Blog: Auswirkung von Bejagung auf den Herdenschutz